QUIET WORDS

Betrachtungen des ultimativ Weiblichen

Pascal Morché

QUIET WORDS ist die gar nicht so stille Betrachtung des ultimativ Weiblichen, eine politisch unkorrekte Kolumne, deren Verfasser die Frauen kennt, sie liebend gerne beobachtet und seine Gedanken hier exklusiv niederschreibt.

Der bekannte Journalist Pascal Morché gilt als pointierter Autor, seine Kolumnen und Kommentare in führenden Tageszeitungen und Magazinen wie FAZ, SPIEGEL, die ZEIT und FOCUS zu Themen der Gesellschaft, Mode, Kunst und Kultur sind legendär. Seine Bücher "365 Tage Fashion" gelten als Bibel für Fashion Victims.

„Zappen ist männlich“

Ich bin ein ziemlich altmodischer Mensch, ich freue mich noch auf einen schönen, entspannten Fernsehabend. Also, nicht jeden Tag, aber doch mal so am Wochenende, gemütlich mit Rotwein oder mit einem Bier; eine flauschige Decke gehört dazu und natürlich: Ein Sofa. „Tatort“ aus Münster mit dem arroganten Boerne am Sonntag, eine schöne DVD: Lars von Trier „Nymphomaniac“ oder von Polanski „Bittermoon“, vielleicht auch „Venus im Pelz“... Die geneigte Leserin merkt: Ihr Lieblingsautor ist also kein Mensch, der streamt und mit Klapprechner (vulgo Laptop) im Bett liegt. Ich finde, das ist ungemütlich, der Screen ist mir viel zu klein und zum Schluß hat man auch noch Krümel im Bett. Deshalb: Sofa!

Zapping ist männlich© iStock_Tuned_In

Es gibt aber nicht wenige Männer, die extrem darunter leiden, dass ihre Frauen Horst-Tappert-Fans sind. Was hat dieser Mann bloß, was wir nicht haben? Hundeblick? Tränensäcke? Nass gekämmte Haare? Irgendwie stehen sehr viele Frauen auf den Typ und finden alte „Derrick“-Folgen cool. Ich nicht. Ich schlafe ein. Es ist verdammt hart, auf dem Sofa einzuschlafen. Am härtesten ist es, wenn dabei „Derrick“ läuft. „Harry, was sagen die Kollegen vom Labor?“ Das sind die letzten Worte, die ich wahrnehme. Wenn mich nicht der Schlaf übermannt, zappe ich bei Derrick ganz schnell weg. Wie übrigens auch bei den meisten Talk-Shows, in denen unsere Promis ihre Sprechblasen entleeren. Weg damit. Von meiner wundervollen Freundin kommt dann immer gleich der Vorwurf: „Nun bleib doch mal dran!“

Wo, bitte schön, soll ich denn dranbleiben? Am tiefen Blick von Sandra Maischberger? Am Kaschmirpullover von Barbara Stöckl? Dranbleiben am Charme der Desirée Treichl-Stürgkh? Ich zappe herum, weil mich die Reportage „Abgeschleppt und abkassiert“ viel mehr interessiert. Weil mir ein klassisches Thema des Unterschichtenfernsehens wie „Vom Dackel der Schwiegermutter entmannt“ mehr Spaß macht und Stephen Kings „Haus der Verdammnis“ sowieso viel spannender ist. Ein Mann kann drei Filme auf einmal gucken – eine Frau heult schon bei einem.

„Du bist ein Zapper“, sagt meine Freundin, und sie legt in diesen Satz so viel Verachtung, als sei ich pervers. Ich finde aber, wenn schon fernsehen, dann fernsehen total. In seiner ganzen bunten dämlichen Vielfalt. Frauen können zwar nicht glauben, dass wir Männer beim Zappen alles mitkriegen. Es ist aber wirklich so! Wir können einfach selektiver wahrnehmen. Wir Männer meistern die multimediale tsunamihafte Reizüberflutung perfekt. Wir wissen, was wichtig ist und was nicht.

Und außerdem haben wir gern 20 Zentimeter Macht in der Hand: den eigenen Schwanz, einen Revolver oder eben die Fernbedienung. Denn wer die Fernbedienung hat, der hat die Macht!

Schwierig wird’s, wenn der Werbeblock anläuft. Dann geht ein Mann aufs Klo oder zum Kühlschrank. Dabei legt er die Fernbedienung aus der Hand – auch wenn ihm das verdammt schwerfällt. Weil er dann Macht abgibt. Weil er jedes Mal, wenn er zurückkommt, auf’s Neue sagen muss: „Gib mir die Fernbedienung!“ Mal ehrlich, länger als zehn Minuten ist doch sowieso keine TV-Sendung erträglich. Außer Sebastian Vettel fährt im Kreis herum. Dann ist Schluss mit der Zapperei. Dann schaltet ein Mann nur auf einen anderen Kanal, wenn dort ebenfalls Sebastian Vettel im Kreis herumfährt. Ja, mit dem roten Ferrari kommt Ruhe in die Wohnung. Kein Zappen. Kein Kampf um die Macht. Sakrale Stille bei röhrenden Motoren. Seltene Momente im Fernseh-Leben eines Mannes.

Lässt die Batterie der Fernbedienung allerdings langsam nach, hat ein Mann ein ernstes Problem: Je weniger Saft drauf ist, desto länger wird sein Arm. Am Ende kniet er vor dem Flachbildschirm. Gibt’s mehr Erniedrigung für einen Mann als vor dem TV-Gerät zu knien? Das ist fast so schlimm wie am Flughafen den Schminkkoffer einer Frau zu tragen oder eben „Derrick“ zu sehen. Wer will schon einen Mann in dieser erbärmlichen Lage? Meine Freundin jedenfalls nicht. Also, liebe Leserinnen, besorgt ihm Batterien, Ihr habt sowieso immer welche zuhause. Für den Vibrator, für Kinderspielzeug, für die Maus am Computer und eben für Fernbedienungen. Gebt ihm die Batterien. Gebt Sie ihm! Sie dienen dann dem, was er für Machterhalt hält. #quietwordspascalmorche

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