QUIET WORDS

Betrachtungen des ultimativ Weiblichen

Pascal Morché

QUIET WORDS ist die gar nicht so stille Betrachtung des ultimativ Weiblichen, eine politisch unkorrekte Kolumne, deren Verfasser die Frauen kennt, sie liebend gerne beobachtet und seine Gedanken hier exklusiv niederschreibt.

Der bekannte Journalist Pascal Morché gilt als pointierter Autor, seine Kolumnen und Kommentare in führenden Tageszeitungen und Magazinen wie FAZ, SPIEGEL, die ZEIT und FOCUS zu Themen der Gesellschaft, Mode, Kunst und Kultur sind legendär. Seine Bücher "365 Tage Fashion" gelten als Bibel für Fashion Victims.

BEI GELEGENHEIT: SEX

„Ich komme!“ Eigentlich zwei schöne Worte. Doch wenn Eltern Sex haben, kommt dabei nicht unbedingt immer der Mann oder die Frau, sondern öfters auch das Kind. Sexuell routinierte Eltern sind deshalb prinzipiell vorsichtig: Bettdecke drüber oder Doggy-Style-Position in Richtung Schlafzimmertür. Dann sehen sie das Bewegen der Türklinke zumindest rechtzeitig.

„Mama, ich hab Durst! Papa, ich hab vom Drachen geträumt“, lallen schlaftrunken der kleine Paul oder die kleine Ann-Sophie vor der elterlichen Liebesstätte. So mancher Mann holt dann schnell die Limonadenflasche aus der Küche, weil sich seine nachlassende Erektion vor den lieben Kleinen immerhin noch leichter verbergen lässt als die Tatsache, dass Mama im Bett auch schon mal Stiefel trägt.

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Sind beim Sex Kinder im Haus oder in der Wohnung zugegen, bleiben Komplikationen nur selten aus. Ich spreche jetzt nicht einmal von sexuellen Extremsituationen, weil es für jeden klar sein dürfte, dass es nur wenig Spaß macht, sich gegenseitig ans Andreaskreuz zu ketten, wenn man dabei Gefahr läuft, vom eigenen Nachwuchs erwischt zu werden. Nein, auch der ganz normale, der sozusagen geregelte Geschlechtsverkehr ist extrem gefährdet, wenn Paul oder Ann-Sophie, aus Taka-Tuka-Land kommend, plötzlich vorm Bett stehen. Nach dem Betrachten des elterlichen Treibens hat schon mancher Sprössling später verwundert gefragt: „Mama, tut Papa dir eigentlich weh, weil du nachts immer so schreist?“ Das ist zwar ein netter Gag in Filmkomödien – aber in der Wirklichkeit weder lustig noch lustvoll.

So haben Väter und Mütter ein ernsthaftes Problem: Wo, wann und wie machen wir’s? In der Beantwortung dieser Fragen liegt genau die Chance für Sex jenseits aller Gewohnheit; für Sex diesseits jeder Gelegenheit. Für Sex, wie er früher einmal war. Kreativ und phantasievoll: Sex in der Opern-Tiefgarage, Sex im Stiegenhaus eines Bürogebäudes in der Mariahilferstraße, der schnelle Blow-Job in der Umkleidekabine zwischendurch. Frauen werden durch das Ausleben der Libido schöner – und wir Männer auch. Schließlich ist Sex Wellness für Körper und Seele ( zu dem Thema folgt demnächst eine eigene Kolumne).

Wenn Mann und Frau als Eltern weiterhin ihren Spaß miteinander haben wollen, müssen sie Phantasie beweisen. Und Geschwindigkeit! Zum Beispiel jetzt in den Ferien: Da Kinder trotz oftmals rudimentärer Englischkenntnisse auf „Do not disturb“-Schilder an der Klinke eines Hotelzimmers prinzipiell nicht reagieren, wird die Urlaubszeit zur Quickie-Zeit: „Paul, geh doch schon mal an den Pool und pump die Luftmatratze auf, wir kommen gleich nach.“ Alles fadenscheinige Ausreden, auf die unsere lieben Kleinen brav reinfallen. Ausreden, die den geilen Eltern einige Augenblicke ungestörten Beischlafs garantieren können; Ausreden, damit niemand vor dem Nachwuchs so arg durchschaubare Lügen stammeln muß: „Weißt du, Mama hat da noch Sonnencreme am Mund.“ Und außerdem lässt sich auch in der tolerantesten Ferienanlage der Fernseher für die Kinder nicht so laut aufdrehen, dass die Kleinen einen nicht mehr hören.

Übrigens: Auch anwesende Haustiere nerven extrem beim Sex. Sind Mann und Frau nicht besonders exhibitionistisch veranlagt, können die interessierten, großen Augen eines Golden Retriever ebenso stören wie die einer schwarzen Katze. In Patrick Süßkinds grandiosem Theaterstück „Der Kontrabass" entfernt der neurotisch-verwirrte Orchestermusiker sogar sein Instrument aus dem Schlafzimmer, bevor er Sex mit seiner Freundin hat. Verständlich: Die Bassgeige soll nicht alles mit ansehen. Meine Freundin hat sich bei den Tiroler Festspielen in Erl hingegen ein hautenges, schwarzes T-Shirt mit der Aufschrift „Kuh contra Bass“ gekauft. Herr Süßkind kennt das Textil (noch) nicht, er würde sein Drama dann vielleicht umschreiben.

Kinder kann (und darf!) man nicht vertreiben. Kinder sind eben keine Bassgeigen. Sie sind lauter und neugieriger. Sie jedes Wochenende bei einem Mitschüler übernachten zu lassen kommt ihnen irgendwann ziemlich verdächtig vor. Und außerdem wollen die anderen Eltern ja auch mal allein sein und...

So bleibt leidgeprüften Eltern nur die Chance, sich cleverer anzustellen als der eigene Nachwuchs – was zugegebenermaßen nicht immer sehr leicht fällt. Die Pauls und Ann-Sophies kommen uns nämlich ziemlich schnell auf die Schliche. Sie finden die Porno-DVDs hinter den Büchern, entdecken Mamas Dildo im Wäscheschrank, sie fragen sich, warum die Gewichte an den zwei Ketten der Kuckucksuhr manchmal fehlen und knacken im Computer jede Kindersicherung, noch bevor sie überhaupt lesen oder schreiben können. Da wollen wir ihnen zumindest das Live-Erlebnis ersparen. #quietwordspascalmorche

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