QUIET WORDS

Betrachtungen des ultimativ Weiblichen

Pascal Morché

QUIET WORDS ist die gar nicht so stille Betrachtung des ultimativ Weiblichen, eine politisch unkorrekte Kolumne, deren Verfasser die Frauen kennt, sie liebend gerne beobachtet und seine Gedanken hier exklusiv niederschreibt.

Der bekannte Journalist Pascal Morché gilt als pointierter Autor, seine Kolumnen und Kommentare in führenden Tageszeitungen und Magazinen wie FAZ, SPIEGEL, die ZEIT und FOCUS zu Themen der Gesellschaft, Mode, Kunst und Kultur sind legendär. Seine Bücher "365 Tage Fashion" gelten als Bibel für Fashion Victims.

Sonnenbrillen

Wenn und wem die Sonne lacht...

Hat ein Designername mehr Strahlkraft als die Sonne selbst, droht mit dem Statusobjekt Eye-shades recht schnell auch geistige Verdunkelungsgefahr.

Swatch Sonnenbrille© SWATCH THE EYES

„Die Sonnenbrille ist mein mobiler Lidschatten“, sagt Karl Lagerfeld „durch sie sieht alles ein bisschen jünger und schöner aus.“ Na dann! Also für mich gelten Kaiser Karls Worte absolut nicht. Ich finde, nichts schaut jünger oder schöner aus, nur weil ich’s durch eine Sonnenbrille betrachte. Ja selbst wenn ich eine rosarote Brille aufsetze, werden Eisbären nicht zu Himbeeren. Okay, ich gebe es zu: Es ist natürlich ziemlich deppert, als Ihr beauty.at-Kolumnist diesmal über Sonnenbrillen zu schreiben. Warum?

Nun schauen Sie sich doch nur mein Foto zu dieser Kolumne an! Denken Sie etwa, ich bin ein Blues Brother oder Mitglied der Panzerknacker (bei Unkenntnis duckipedia klicken)? Nein! Sie sehen, ich habe eine Ray-Ban Modell „Wayfarer“ auf der Nase; der Entwurf von Raymond Stegeman ist übrigens in etwa so alt wie der Schreiber dieser Kolumne selbst; um 1956 kam die „Wayfarer“ auf den Markt. Ziemlich revolutionär löste sie damals mit ihrem schwarzen, massiven Kunststoffrahmen das Modell „Aviator“ ab, jene Ur-Fliegerbrille mit dem leichten Metallgestell und jenen tropfenförmigen Gläsern, die in den 30er-Jahren speziell für die US-Luftwaffe entwickelt wurde. Sie sollte die Sonnenstrahlen vor den Augen der Piloten zu bannen, deshalb Ray-Ban.

Diese „Wayfarer“ hatte ihr großes Comeback in den 80er-Jahren. Von da an wurde es sehr schnell peinlich : Als deutliches Produkt-Placement rutschte das Gestell (kultivierte Menschen sprechen bei Brillen übrigens von Fassung) auf die Nasen von Tom Cruise oder Don Johnson in „Miami Vice“. Wer damals schon Stil hatte, trug Persol. Diese italienische Eyewear ist älter als Ray-Ban, vielleicht auch einen deutlichen Tick eleganter und man erkennt Persol-Brillen an ihren auffälligen Scharnieren; aber nur wenn man eben ein Kenner ist – oder James Bond-Fan. 007 blickt immer durch Persol. Ich bin nicht James Bond. Meine „Wayfarer“ ist recht alt; also richtig original alt. Eben authentisch alt. Voller Stolz kaufte ich sie vor vielen, vielen Jahren in den USA und zwar zu einer Zeit, als der Strahlenbanner noch darauf verzichtete, seinen Markennamen Ray-Ban auch noch protzig auf das Glas zu schreiben.

Wir sind beim Thema, wir sind bei der Eitelkeit. Eitelkeit ist nur tragisch, wenn man nichts hat, worauf man sich etwas einbilden kann. Da das leider bei vielen Menschen so ist, bleibt ihnen eben nur noch die Sonnenbrille, beziehungsweise der Designername, das Label, das Logo auf den Bügeln des Nasengestells. Das Label der Eyewear befriedigt die Eitelkeit und ist wichtig beim Kauf ihrer Sonnenbrille und sonst nichts.

Um Sonnenschutz geht’s nun wirklich nicht! Ja, es kommt den meisten sonnenbeschienenen Zeitgenossen bei ihren Eye-Shades nicht auf die Ästhetik ihrer Brille und schon gar nicht auf die UV-Strahlen abweisende Qualität der Gläser an. Ist doch das banale Zurschaustellen eines gerade hoch und teuer gehandelten Designernamens deutlich wichtiger. Und man hat den Eindruck, dass bei Sonneneinstrahlung die Eitelkeit von Männern und Frauen deutlich zunimmt. Die Tom Cruises vermehren sich in Dorfdiscos; die Audrey Hepburns und Peggy Guggenheims (kennt noch jemand diese berühmten Sonnenbrillenträgerinnen?) sitzen in den Cafés. Cool soll sie aussehen, die Maske auf der Nase. Aber, ist das Coolness? Wenn die Sonne lacht, ist es meist zum Weinen, wenn man Sonnenbrillenträger beobachtet.

Deshalb ist das Tragische an Sonnenbrillen meist nicht ihre monströse Hässlichkeit, sondern vor allem die kindische Sehnsucht ihrer Träger nach Maskerade, nach dem großen Versteckspiel. Die Sonnenbrille soll das infantile Bedürfnis erfüllen, exzentrisch und unauffällig zugleich sein zu wollen. Meist sticht dabei kein Sonnenstrahl ins Auge, sondern schlechter Geschmack.

Sonnenbrillen sind die ideale Ausstattung für all jene Dauerpubertierenden , die so schrecklich gerne auffällig wären, aber halt leider nicht genug Mut haben, es tatsächlich auch zu sein. Dialektisch ist das Tragen von Sonnenbrillen also ziemlich kompliziert: Sie schattieren die Augen von Menschen, die sich im Moment scheinbarer Exzentrik zugleich verstecken wollen. So sind Sonnenbrillen das ideale Spielzeug für Wichtigtuer, die nie Wichtiges tun. Für Status-gierige Angeber, die sich nichts „wirklich“ Teures von Chanel oder Dior oder Marc Jacobs oder Tom Ford oder Dolce e Gabbana oder Armani leisten können und doch unbedingt daran teilnehmen wollen, am großen Zeigen der noch größeren Label. Ich finde, Frauen dürfen das – bei Männern aber, wird’s ganz schnell peinlich.

Außerdem, wer sagt, dass man zum Tragen einer Sonnenbrille auch noch die Sonne braucht?
Die eitle Frau ist immer eine Göttin, zum Anbeten und mit Sonnenbrille scheinbar unberührbar. Der eitle Mann aber ist ein Gockel, zum Kopfschütteln besonders mit verrückter Designer-Sonnenbrille auf der Nase. Übrigens müssen unglaublich toll aussehende, modisch höchst extravagante, atemberaubend schicke Sonnenbrillen wirklich keinen großen Designernamen tragen. Diese Erfahrung machte ich, als eine wundervolle Frau mich neulich mit einer Sonnenbrille von Swatch empfing. Swatch, da denkt man ja eigentlich „nur“ an lustige Uhren. Völlig zu unrecht, sage ich Euch! Denn diese, ihre Swatch-Sonnenbrille ist (wie die ganze Frau) ein absoluter Hingucker. Egal von welcher Seite man sie betrachtet; beziehungsweise von welcher Seite man durch sie hindurchsieht. #quietwordspascalmorche

Pascal Morché

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