QUIET WORDS

Betrachtungen des ultimativ Weiblichen

Pascal Morché

QUIET WORDS ist die gar nicht so stille Betrachtung des ultimativ Weiblichen, eine politisch unkorrekte Kolumne, deren Verfasser die Frauen kennt, sie liebend gerne beobachtet und seine Gedanken hier exklusiv niederschreibt.

Der bekannte Journalist Pascal Morché gilt als pointierter Autor, seine Kolumnen und Kommentare in führenden Tageszeitungen und Magazinen wie FAZ, SPIEGEL, die ZEIT und FOCUS zu Themen der Gesellschaft, Mode, Kunst und Kultur sind legendär. Seine Bücher "365 Tage Fashion" gelten als Bibel für Fashion Victims.

„Placebos aller Arten - Die rosarote Brille"

Placebos sind Scheinmedikamente, Pillen ohne jeden Wirkstoff. Trotzdem wirken sie oft – und besonders wirken sie bei Frauen. Zu dieser Erkenntnis kamen sogar bereits Psychologen der deutschen Universität Tübingen („Deutsche Medizinische Wochenzeitschrift“, Bd. 130, Seite 1934). Die Erklärung der Wissenschaftler: “Frauen entwickeln in kürzerer Zeit Bewältigungsstrategien.“

Das heißt: Ihr wundervollen Frauen und beauty.at-Leserinnen, Ihr passt Euch einer Behandlung, also einem „treatment“ rascher an als jeder Mann. Und zwar auch einer Behandlung mit Pillen ohne Wirkstoff. Mich, Euren Euch liebend beobachtenden Kolumnisten überrascht diese Studie überhaupt nicht. 

Placebo rosarote brille

Ich war schon immer der Meinung, dass sich Frauen viel besser selbst betrügen können als wir Männer. Für Frauen und jenen weiblichen Selbstbetrug, der ihnen am Ende weismacht, dass sie glücklich sind, gibt es viele Arten von Placebos. Sie heißen Handtaschen, Schuhe, Kleider, Kosmetika, Katzen, Friseurbesuche, Wellness-Aufenthalte, Spa-Erlebnisse, Hunde, Urlaubsreisen, Yoga-Treffen, Töpferkurse ... Manchmal denke ich, die ganze Welt ist für Frauen voller Scheinmedikamente. Weil sie eher bereit sind, an Pillen ohne Wirkstoff zu glauben, sind Frauen enorm wichtig für die Volkswirtschaft.

Jeder Frustkauf, der vermeintlich glücklich macht, ist ja nichts anderes als das Einwerfen eines Placebos. Hat sich jemals ein Mann ein Paar Schuhe aus Frust gekauft? Ich kenne keinen. Wir würden uns auch keinen Porsche aus Frust kaufen und uns einbilden, damit ginge nun alles leichter im Leben. So etwas müssen wir uns nicht einbilden. Wir sind so eindimensional gestrickt, dass wir ganz genau wissen: Mit Porsche sind wir glücklicher als ohne. Männer glauben nur an das, was sie wissen und beweisen können. Sie glauben an Fakten: den Wirtschaftsteil der Zeitung, die PS-Leistung ihres Autos oder die Speicherkapazität ihrer Festplatte. Man kann uns nichts vormachen: Was auf dem Speiseplan der Betriebskantine steht, das wird auch auf den Teller kommen. Davon gehen Männer erst einmal aus.

Pragmatisch, rational und realistisch denkend, sind Männer gewissermaßen placeboresistent . Damit scheiden allerdings auch die Frauen selbst als Placebos für uns aus. Leider! Die beste Ehefrau und das schönste Playmate können Männer nur kurzfristig betäuben und glauben machen: Sie seien jetzt glücklich.

Umgekehrt funktioniert die Medikation mit Scheinpräparaten dagegen ganz ausgezeichnet: Männer sind oft sogar die besten und wirkungsvollsten Placebos für Frauen. Zwar fragen sie bei jedem neuen Mann wegen Risiken und Nebenwirkungen ihren Psychotherapeuten, ihre Freundinnen oder ihren Friseur – doch deren Rat haben sie spätestens beim nächsten Mann wieder vergessen. Wir Männer sind für Frauen gern Placebos. Pillen ohne Wirkstoff. Trotzdem glauben sie fest an uns. Manchmal nennen sie diesen Glauben dann sogar Liebe.

Aber Ihr aufmerksamen Leserinnen liebt natürlich auch andere Scheinmedikamente, solche die leichter zu bekommen sind als jener „vermeintlich“ richtige, glücklich machende Mann. Zum Beispiel Kosmetika! Für uns Männer ein Buch mit mehr als sieben Siegeln. Kleiner Exkurs: Es war von mir eine recht blöde Anmache, als ich einmal eine sehr schöne Buchhändlerin nach Verbtabellen für Cunnilingus fragte. Zum Glück verstand sie nicht recht, denn ich hätte dafür eine Ohrfeige verdient. Sie schickte mich aber in die Abteilung für Sprachen und Fremdwörterbücher. Dort hätte ich gleich einkaufen sollen, um mein Verständnis für Euch Frauen wirklich zu erweitern. Ja, um endlich jene Fachausdrücke von Placebos zu kapieren, die nur Frauen beherrschen. 

Also, ich komme schon seit einigen Jahrzehnten mit einer weißen Creme klar, die es in meiner Jugend nur in runden, blauen Dosen gab und die inzwischen auch in ebenso blauen Tuben angeboten wird. Vielleicht werde nicht nicht so schön wie Hansi Hinterseer, aber ich weiß wenigstens, was ich mir auf die Haut schmiere. Bei den Töpfchen, Tiegelchen und Tuben von Euch Frauen brauche ich hingegen ein Fremdwörterbuch. Diese Placebos sprengen nämlich die Sprache eines jeden Globuli-Beipackzettels.

Was bitte schön ist ein „Time-Zone-Indikator“? Was ist ein „Day and Night Splash Away Foaming Cleanser“? Was ist eine „Beautifying Treatment Foundation“? Meist steht überall auch noch „Hydro“ drauf, denn Frauen haben wohl eine panische Angst auszutrocknen. Geheimsprache herrscht auf diesen, ihren Placebo-Produkten vorm Badezimmerspiegel: „Smoothing and Hydrating Body Mist“, da bin ich mit meinem Nivea-Latein am Ende. Und auch mit meinem Glauben, dass die Anwendung dieser (Schein?)-Präparate den normalen Alterungsprozess der Haut um Jahrzehnte hinauszögern soll.

Der Glaube versetzt Berge und Frauen in Ausnahmezustände , denn Frauen sind fundamentalistisch gläubig, was Beauty-Produkte betrifft. Deshalb greift Ihr auch gleich nach der Pubertät zu einer Antifaltencreme. Das Badezimmerregal mutiert zur Placebo-Apotheke, bergeweise Glücklichmacher; der Kosmetikkoffer quillt über. Ich bin hier ehrlich zu Euch; schonungslos ehrlich: Wenn ein Mann die Versklavung seiner selbst erfahren will, dann trägt er seiner Frau den Kosmetikkoffer am Flughafen hinterher.

Was ist schmachvoller für einen Mann? Den Kosmetikkoffer zu apportieren oder einen Zwergpudel Gassi zu führen? (Das hat nichts mit Unhöflichkeit zu tun: Einen richtigen, großen und auch schweren Koffer trägt ein kultivierter, höflicher Mann selbstverständlich immer für eine Frau).
Doch fort vom Gepäck und zurück zur Kosmetik als Placebo: Frauen brauchen immer länger bis sehr lang im Bad: auch abends, so müde können sie gar nicht sein. Der liebende, liegende Mann wartet im Bett gefühlte zwei bis drei Stunden. Dann kommt sie – und ihr Gesicht wird wieder von der Nachtcreme glänzen und kleben. 

Und noch etwas zu Eurem Duft und Euren Düften: Da viele Frauen in exzessivem Lifestyle-Delirium häufig ihren Duft wechseln, ist es vorbei, dass sich ein Mann genau an die „eine“ Frau erinnert, weil er mal wieder irgendwo ihr Parfüm riecht. Marcel Prousts Madeleine hinterm Ohrläppchen; es gibt sie nicht mehr und damit ist auch die Chance dahin, die verlorene Zeit (oder auch eine verlorene Liebe) durch einen Duft zu erinnern und sie so wiederzufinden.  Schluss mit leidenschaftlichem (Nach)-Schnüffeln; Schluss mit der Nasenmasturbation! Ich denke, also bin ich. Ich rieche, also bist du’s. Vorbei! Warum? Weil auch Düfte nur mehr Placebos sind, die permanent gewechselt werden, weil das neue Parfüm angeblich glücklicher, attraktiver, begehrenswerter macht als das alte.

Übrigens: Sex mit einer Frau zu haben, die das Parfüm der Mutter trägt, kann verdammt problematisch werden. Duft-Inzest! Aber diese Irritation ist noch immer harmlos – verglichen mit dem, was Unisex-Düfte anrichten. Düfte mit der dezenten Bemerkung „a fragrance for a man or a woman“. Wohlgemerkt: „or“ nicht „and“! Unter den Düften das olfaktorische Desaster. Teufelszeug aus den Laboratorien der Placebo herstellenden Parfümindustrie. Er verwirrt unsere eng koordinierte Geruchs- und Gefühlswelt. Jetzt riecht meine Frau wie mein Chef – und mein Chef stinkt mir. #quietwordspascalmorche

Pascal Morché

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