QUIET WORDS

Betrachtungen des ultimativ Weiblichen

Pascal Morché

QUIET WORDS ist die gar nicht so stille Betrachtung des ultimativ Weiblichen, eine politisch unkorrekte Kolumne, deren Verfasser die Frauen kennt, sie liebend gerne beobachtet und seine Gedanken hier exklusiv niederschreibt.

Der bekannte Journalist Pascal Morché gilt als pointierter Autor, seine Kolumnen und Kommentare in führenden Tageszeitungen und Magazinen wie FAZ, SPIEGEL, die ZEIT und FOCUS zu Themen der Gesellschaft, Mode, Kunst und Kultur sind legendär. Seine Bücher "365 Tage Fashion" gelten als Bibel für Fashion Victims.

FOOD APOSTEL

Ich hoffe Sie erschrecken nicht, denn für mich hängen Sex und Essen nicht (immer) primär zusammen! Marmelade aus dem Bauchnabel zu lecken ist nichts für mich: zu klebrig! Champagner über primäre Geschlechtsmerkmale zu gießen, erfüllt mich mit Kälteschauer. Erdbeeren und Schokolade kullern schnell von der Bauchdecke. Und Masturbation mit einem Austernhandschuh mag ein special interest unter Sadomasochisten sein, doch rasseln dabei die Kettenglieder zu heftig.

Dass dennoch die meisten Mitmenschen einen engen Zusammenhang zwischen Essen und Sex sehen, ist trotzdem verständlich: Beides hat intensiv mit Genuss, also mit Sinneswahrnehmung zu tun. Und beides dient dem Leben, ja dem Überleben der Spezies Mensch. Frauen verstehen vom Leben ohnehin mehr, schließlich gebären sie es. Wahrscheinlich setzen sie sich deswegen auch zumeist so intensiv für den Schutz desselben ein – und dafür, dass es möglichst lange dauert. Mit dem gesundem Essen, das längst als „richtige Ernährung“ tituliert wird, geht das am Besten.

Kenwood

Meine Freundin sorgt sich sehr um mich und meine Gesundheit. Damit ich länger lebe, süßt sie meinen Kaffee nur noch mit braunem Zucker und erklärt, dass Broccoli Krebs verhindert, Algen Haarausfall stoppen und nur ein Olivenöl aus einer ganz bestimmten apulischen Südlage meine Koronarien freipustet. Sie kann mir zwar nicht genau sagen, um wie viele Tage, Monate oder Jahre ich nun länger leben werde, aber sie ist sicher, dass sie die Dauer entscheidend verlängert. Tatsächlich überleben Frauen die Männer ja um zirka 6,5 Jahre. Ich weiß aber nicht, ob es ihnen wirklich Spaß macht, sich dieses Überleben mit Sojasprossensalat und den Verzicht auf Bratwürstel zu erkaufen.

Wir Männer essen anders als Frauen. Das ist kein Klischee, sondern die pure Wahrheit. Ernährungssoziologische Studien an Bahnhofskiosken haben ergeben, dass Männer sich am Würstelstand tummeln, während Frauen den vegetarischen Imbiss bevorzugen. Und bietet eine Firmen-Kantine ein vegetarisches Hauptgericht, so laden sich das 31 % der Männer, aber 57 % der Frauen auf den Teller. Wahrscheinlich resultiert unser unterschiedliches Essverhalten aus dem weiblichen Hang zu verfeinerter Lebensart. Ein Beispiel: Der Mann entdeckte die Farben und erfand die Malerei. Die Frau entdeckte die Malerei und erfand das Make-up. Für mich ist folgende Verfeinerung noch schlimmer: Ein Mann kennt Ernährung; eine Frau kennt nur „richtige“ Ernährung.

Es ist ja nicht so, dass meine Freundin eine Veganerin ist. Das sind jene Hardcore-Vegetarier, die sich neben dem Fleisch auch sonst jeglichem tierischen Produkt wie Milch, Eiweiss und Leder verweigern. Man findet sie daher auch nicht in der SM-Szene, weil die reine Lehre ihnen alle Accessoires aus Leder verbietet. Und natürlich endet der blow job einer Veganerin nie als bitterer Gaumenkitzel. Ei - weiß da die klickende Leserin dieser Kolumne doch was gemeint ist. Aber, so tief wollt’ ich gar nicht ausholen...

Die wundervolle, schöne Frau, die mich mit braunem Zucker abfüllt, ist Vegetarierin. Nun sind Vegetarier nicht prinzipiell gute Menschen, nur weil sie kein Fleisch essen. Auch Hitler war Vegetarier. Ich weiß nicht, wie es gewesen sein mag, mit ihm in in einem Landgasthof zu speisen. Mit meiner Freundin schon. Ich freue mich bereits auf den Sommer und so manche Landpartie, doch meine Freundin meidet Gasthäuser, neben deren Eingangstür ein Pappschwein mit Kochmütze steht, das auf seinem Bauch eine jener Tafeln trägt, auf denen mit Kreide geschrieben ist: "Hier kocht der Chef – Wiener Schnitzel von Stephan".

Ein Ausflug aufs Land, bei dem man dem SUV einmal mehr Steigung zumuten will, als jene zur Opern-Tiefgarage, kann vor gutbürgerlichen Gasthöfen, Heurigen und Weinstadln zum Prüfungsweg für Liebende werden. Da stehen Schnitzel, Surbraten, Schweinsbraten, Kalbshaxe und Rindsrouladen auf der Speisekarte. Beim Mann regt sich Hunger und er weiß, die Frau an seiner Seite wird am Ende wieder die Beilagendekoration so kunstvoll zerfleddert haben, dass ihr Teller nur als Attrappe eines genussvollen Mahles präpariert ist. Frauen sind paradoxe Geschöpfe: Sie steigern den Absatz an Diätbüchern, während die Hälfte der Menschheit hungert.

Natürlich weiß ich, dass es gut für Leib und Seele ist,  sich nicht zu fett, nicht zu süss und nicht zu üppig zu ernähren – und dass es besser ist, mehr Grünzeug und weniger tote Tiere zu essen. Aber an besagtem Pappschwein eines Landgasthofs fährt ein Mann nicht einfach so vorbei. Die männliche Lust auf Fleisch ist leicht zu erklären: Fleisch ist für Männer eine Art Statussymbol und eine deutliche Machtdemonstration. Beim Wiener Schnitzel regen sich die archaischen Gefühle des Raubtiers: Wir waren die Stärkeren, wir haben Beute gemacht, haben sie zerlegt und wollen sie jetzt fressen. Männer sind mutig, sie haben keine Angst vorm Chlorhuhn!

Kürzlich hat mich meine Freundin in ihren Lieblings-Bio-Supermarkt mitgenommen. Und was sah ich dort? Zwischen den Regalen mit enzymhaltigen Erfrischungsgetränken, Packungen voller Dinkel, Grünkern, Kamut und Hirse füllen in Designerklamotten gezwängte, kraftvolle Alpha-Wölfinnen auf Jimmy-Choo-High Heels ihre Einkaufswagen mit Sauerkrautsäften voll und packen "über Holz gedarrten Amaranth" neben ihr Prada-Täschchen. Trotzdem meine ich, bei Tisch gehen Sinnlichkeit und Genuss flöten, wenn die geliebte Frau nicht mal mehr den Kaloriengehalt eines Bugs-Bunny-Kindertellers verkraftet. Wie soll ein Mann noch genussvoll sein Spanferkel sezieren, wenn sie bestenfalls in einem Sojakeimlingssalat herumstochert? Und es ist die Hölle, wenn eine Frau auf der Almhütte der Bedienung erst einmal in größter Ausführlichkeit erklärt, dass bei ihr eine Glutenunverträglichkeit festgestellt wurde, ja dass allein das Wort „Weizen“ sie ganz schnell kollabieren lasse und dass es dann besser ist, wenn der Rettungs-Hubschrauber schon mal im Tal startklar gemacht wird.

Oh, diese Besseresser und Besserwisser, für die Ernährung zur Ersatzreligion wurde! Oh, diese selbsternannten Food-Apostel, die sich narzisstisch, autodidaktisch, ernährungswissenschaftlich geschult glauben und aus jedem Gericht nur das herauspicken, was erlaubt und vermeintlich gesund ist. Vermeintlich! Wo führt das hin? Zucker macht tot! Salz ebenfalls! Kohlehydrate, Weizen: Teufelszeug! Laktosefrei, glutenfrei, nussfrei, fructosearm...

Gott, gibt es noch Frauen ohne Laktoseintoleranz? Gibt es noch solche, die nicht in Schuldgefühlen versinken, weil sie versehentlich in ein Stück Pizza gebissen haben? Fassungslos ist ein Mann, dessen Frau im Diät-Wahn einem Diät-Club beitritt. Denn was ist furchtbarer: Einen geliebten Menschen an die Weightwatchers oder an die Scientologen zu verlieren? Wer trinkt denn mit Genuß Soja-Kaffee, jenen "koffeinfreien Kaffee-Ersatz"? Wer will "Tofu Puszta-Würstel" essen? Wer will denn immer nur Ersatz? Wer will immer nur Fakes für's wahre Leben? Da können wir uns gleich das Backbuch "Die besten Sandkuchen der Sahara" schenken. Garantiert glutenfrei. #quietwordspascalmorche

                                                               Pascal Morché

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