QUIET WORDS

Betrachtungen des ultimativ Weiblichen

Pascal Morché

QUIET WORDS ist die gar nicht so stille Betrachtung des ultimativ Weiblichen, eine politisch unkorrekte Kolumne, deren Verfasser die Frauen kennt, sie liebend gerne beobachtet und seine Gedanken hier exklusiv niederschreibt.

Der bekannte Journalist Pascal Morché gilt als pointierter Autor, seine Kolumnen und Kommentare in führenden Tageszeitungen und Magazinen wie FAZ, SPIEGEL, die ZEIT und FOCUS zu Themen der Gesellschaft, Mode, Kunst und Kultur sind legendär. Seine Bücher "365 Tage Fashion" gelten als Bibel für Fashion Victims.

„Nicht nur beim Sex: Frauen lügen besser“

Das achte Gebot Gottes sitzt uns nicht besonders tief in den Knochen. Wir sollen nicht lügen – tun es aber trotzdem. Und zwar, dass sich die Balken biegen: Zirka 200-mal pro Tag schwindelt der Mensch. Das jedenfalls hat der amerikanische Psychologe John Frazer herausgefunden und dabei all jene Sätze auf die Goldwaage gelegt, die uns tagtäglich immer so verdächtig leicht über die Lippen kommen: „Ich ruf dich an“, „Verlass dich auf mich“, „Das macht nichts“, „Das Essen war köstlich“...

Frauen lügen besser© iStock_EHStock

Wirklich interessant wird dieses Forschungsgebiet aber erst , wenn man die unterschiedliche Architektur weiblicher und männlicher Lügengerüste genauer untersucht und miteinander vergleicht. Ergebnis: Die Lügengerüste von Frauen sind wesentlich stabiler als die von uns Männern. Wir Männer – und da mache sogar ich keine Ausnahme – sind schlechte Lügner.

Frauen flunkern präziser, improvisierter und vor allem phantasievoller. Diese Perfektion haben sie vor allem erreicht, weil Frauen die oberste Regel des Schwindelns sehr ernst nehmen: Wer lügt, braucht ein gutes Gedächtnis! Außerdem fehlen uns Männern die typisch weiblichen Tricks, die Frauen immer dann gerne anwenden, wenn sie so hübsch die Unwahrheit sagen: Der Augenaufschlag, das Klimpern mit den Wimpern, die leicht geöffneten, staunenden Lippen.

Der infantile Charme, den die glaubhafte Lüge braucht, er fehlt uns Männern völlig . Wir Männer sind auch da ziemlich eindimensional und borniert: Ein Mann kann sich gerade mal vorlügen, dass ein Hotdog plus Sixpack ein 7-Gänge-Menue ist, oder er säuselt bei Kerzenschein „ich könnte nie mit einer Frau schlafen, die ich nicht liebe“ – was ein perfider Trick ist, um genau dies zu tun.

Ich denke, der Hang zum Flunkern ist bei der Frau ein sekundäres Geschlechtsmerkmal. Schon Eva im Paradies behauptete frech, die Schlange habe ihr dazu geraten, den Apfel der Erkenntnis vom Lebensbaum zu pflücken. So ist es: Schon Eva suchte in ihrer Harmoniesucht eine Ausrede, die ihr glaubhaft über die Lippen kam. Nur: Wenn Frauen schummeln, begnügen sie sich nicht mit Worten. Vergessen wir nicht die vielen Requisiten des weiblichen Flunkerarsenals.

Ganz wunderbar, der Wonderbra: zwei Körbchen – eine Lüge! Make-up, falsche Fingernägel, Highheels, kurze Röcke, enge Hosen, tiefe Dekolletés – alles nur Mittel zur Vortäuschung falscher Tatsachen; von Botox, Silikon und Fillern aller Arten ganz zu schweigen. Frauen werden das wahrscheinlich ganz anders sehen. Sie werden sagen: Wir Frauen lügen nicht, wir erfinden uns höchstens die Wahrheit, die wir gerade brauchen; die Wahrheit, die unserem ständigen Streben nach dem perfekten Bild von uns selbst entspricht. Frauen haben es gut: Sie können sich eine passende Wahrheit sogar im Schuhgeschäft kaufen: Mit den richtigen fuck-me-shoes kann ein Mauerblümchen die Rolle einer Männer verzehrenden Schlingpflanze vortäuschen. Es kommt eben immer nur auf die richtige Mogel(ver)packung an.

Und dann erst die Lüge beim Sex! Sex zieht mehr Menschen an als H&M; ja, wundert sich da irgendjemand, dass auf diesem Gebiet die hohe Kunst der Tatsachenverdrehung besonders gut funktioniert? Dass Frauen beim Orgasmus häufiger lügen als wir Männer – vor allem weil sie hier lügen können (!) – ist eine ebenso bekannte Tatsache wie ihre Fähigkeit, uns Männern einen Seitensprung zu verheimlichen. Und wenn zwischen Mann und Frau im Bett sexuelle Tempo-30-Zone herrscht, so ist die Lüge der Frau dann meist von defensiver Natur: „Ich mag deinen Körper so wie er ist“, säuselt ein Evergreen der Schlafzimmerlüge über manchen Bierbauch hinweg und um der Möglichkeit von gekränktem Männerstolz vorzubeugen, gibt’s die Lüge: „Mach dir nichts draus, es war auch so schön für mich.

Lügen haben kurze Beine. Nun sind Frauen ja per se auch kleiner gewachsen als wir Männer. Ob sich aber die statistischen zwölf Zentimeter, die Frauen uns Männern gegenüber kleiner sind, auf ihre Beinlänge reduzieren lässt? Hm, da habe ich meine Zweifel. Ich kenne auch langbeinige Frauen, die perfekt schwindeln können. Und das Frauen wenigstens dann ehrlicher sind, wenn sie unter sich sind, glaube ich auch nicht. Allein schon wenn Frauen einander umarmen, ist das meist so herzlich gemeint wie die Begrüßung zweier Boxer im Ring.

Fazit: Harmoniestreben und Perfektionssucht lassen Frauen geübter flunkern. Die Natur hat dem Menschen schließlich mitgegeben, was er seit der Erfindung des Faustkeils bis zum Streit um den Vaterschaftstest fordert: Monogamie. Keine Untreue, keine Eifersucht, kein Zweifel, ob der oder die Richtige auch der oder die Richtige ist. Und wenn er dann doch auftaucht, der böse, nagende Zweifel, dann hilft nur eins: Lügen. Und das heißt leider immer auch: Sich selbst belügen. Ich jedenfalls glaube Frauen prinzipiell stets nur die Hälfte. Und welche Hälfte, das bleibt mein Geheimnis. #quietwordspascalmorche

Pascal Morché

QUIET WORDS - Alle Kolumnen