QUIET WORDS

Betrachtungen des ultimativ Weiblichen

Ready to Party!

Verkaufsparties haben ihren Reiz – ja, aber warum denn nur?

Die Tupperwareparty ist die niedrigste Form der Gruppentherapie . Gepriesen sei deshalb Brownie Wise! Sie gilt als Erfinderin der Tupperwareparty. Die weise Brownie hatte nämlich 1948 erkannt: Menschen sind gesellige Wesen, besonders, wenn Menschen Frauen sind.  Aus dieser tiefen Einsicht kam ihr die Idee, dass Vertriebswege zum Losschlagen von Frischhaltedosen unbedingt in das Wohnzimmer führen müssen, in denen Frauen ihre Freundinnen um sich scharen. Das funktionierte! Es brachte 1954 der Firma Tupper 25 Millionen Dollar Umsatz und Brownie auf die Titelseite der renommierten Business Week. Keine Frage: Bis heute sind Tupperschüsseln fantastisch und ideal für all jene, die Essen erst zwei Wochen später in den Müll schmeissen wollen. Doch zurück zur Party, zur „Verkaufs“party.

Clinique Home Party© Clinique

Das Konzept sieht vor, persönliche Beziehungen und Freundschaften zu nutzen, um neue Kunden zu gewinnen. An einem Nebenerwerb interessierte Firmenfremde stellen ihre Wohnung für eine Verkaufsveranstaltung zur Verfügung, zu der sie Freunde und Bekannte einladen und bewirten. Die Gastgeberin erhält für ihre Mühen eine Entlohnung in Form von Gratis-Produkten, Preisnachlässen oder Bonuspunkten. Ein Vertriebskonzept, das sich an Frauen richtet.

Der Ehemann oder Lebenspartner der Gastgeberin einer Verkaufsparty wird pünktlich zum Partytermin aus der Wohnung expediert. So war nie ein Mann Zeuge dieser Parties, es sei denn, ein BDSM-Fan suchte den ganz besonderen Kick. Schon Tage zuvor hat die Gastgeberin die Wohnung auf Hochglanz gebracht. Sie hat bei Hofer Knabberzeug gebunkert, auf dass sich Chips und Erdnussflips im Hochflorteppich verkrümeln wenn die ebenso vergnügungs- wie kaufsüchtigen Freundinnen auf dem Sofa der Referentin lauschen. Getreu dem Motto „nüchtern bin ich schüchtern, voll bin ich toll“ fließt natürlich auch reichlich Hofer-Champagner und Lidl-Spumante. Noch ein Prosetschko und Prösterchen! Angeheitert fällt bekanntlich jede Kaufentscheidung leichter. Der Mensch ist wahrscheinlich ein so geselliges Wesen, weil er sich, wenn er allein ist, vor sich selbst fürchtet.

Die Mutation der Worte sagt alles über den heiligen Ernst einer solchen  Verkaufsveranstaltung in den eigenen vier Wänden : Die „Verkaufsparty“ wird zum „workshop“; die „Verkäuferin“ nennt sich „Dozentin“ oder „Referentin“; die knabbernden und kichernden Mädels auf der Coach heissen ganz wichtig „Seminarteilnehmerinnen“. Solche Wortbooster adeln auch die Produkte! Und die bestehen längst nicht mehr nur aus bunten, gut verschließbaren Plastikdosen der Firma Tupper.

Die Beauty-Branche hatte die Avon-Beraterin als erste losgeschickt, den Fuß in die private Türe körperlich optimierungswilliger Hausfrauen zu stellen. Das hatte leider irgendwann den Geschmack der Skurrilität und Spießigkeit und über die wackere Frontfrau in Sachen Schönheit wurden blöde Witze gemacht. Zu wenig „stylish“, zu wenig „workshop“. Diesen Fehler will das Unternehmen Clinique nicht machen und sagte sich: in englisch klingt nix spießig. „Ready to Party!“

Mit Beauty@home bietet Clinique nun Workshops für 4-6 Teilnehmerinnen
, bei denen eine kompetente Pflege- und Makeup-Expertin gebucht werden kann. Die kommt nach Hause und „referiert“ in entspannter Atmosphäre über Themen wie „Let your skin glow“, „Top aussehen im Job“, oder „Young mums, jetzt seid Ihr dran“.

Der Service ist kostenlos. Die Gastgeberin erhält Produkte im Wert von € 50,- als Geschenk. Dauer der Workshops: ca. 2-3 Stunden. Clinique fragt: Wäre dies nicht eine Idee für einen netten Abend mit Freundinnen oder Kolleginnen, für Mama-Runden, Bridal Showers, Business Termine oder festliche Anlässe? Na dann, auf eine Mama-Runde! Ein altes Sprichwort sagt: „Sobald sich mehr als zwei Menschen zu einem anderen Zweck als dem von gemeinsamen Gebet oder Sex versammeln , kommt unweigerlich Unsinn dabei heraus.“ Oder ein Geschäft.

Gegen Unsinn und Geschäft (meist ist es ja ein und dasselbe) ist wirklich nichts einzuwenden. Die deutsche Website liebesengel-dildoparty.de entspricht meinen Partyintentionen schon eher. „Da“ dabei zu sein, reizt einen Mann wie ein PPP-Event, also wie eine Pulled-Pork-Party am Smoker. Es beginnt harmlos mit der Präsentation von Dessous, um dann bald noch tiefer in das Thema Sex einzudringen. Liebesengel-Beraterinnen nehmen sich da der Menschen an und präsentieren Erotiktoys and tools: Vibratoren, Dildos, erotische Bodycare- und Wellnessprodukte. „Eine Dildoparty der Liebesengel“, so heißt es, „sorgt für einen geselligen Abend voller Spaß im eigenen Zuhause, wo ihr unsere Produkte mit allen Sinnen schmecken, riechen und fühlen könnt.“ Na, Halleluja, du lieber Liebesengel! Verständlich, dass bei Verkaufsparties ein jedes Reihenendhaus vor Glückseligkeit wackelt. Die lieben Nachbarn! Die Freundinnen! Der Prosetschko und vor allem die vielen, tollen, neuen Sachen, die’s zum Kaufen gibt. Ach, ist das Leben schön, lässt man das Merkantile nur endlich daheim auf’s Sofa.

#pascalmorche

Pascal Morché

QUIET WORDS ist die gar nicht so stille Betrachtung des ultimativ Weiblichen, eine politisch unkorrekte Kolumne, deren Verfasser die Frauen kennt, sie liebend gerne beobachtet und seine Gedanken hier exklusiv niederschreibt.

Der bekannte Journalist Pascal Morché gilt als pointierter Autor, seine Kolumnen und Kommentare in führenden Tageszeitungen und Magazinen wie FAZ, SPIEGEL, die ZEIT und FOCUS zu Themen der Gesellschaft, Mode, Kunst und Kultur sind legendär. Seine "Lesungen der besonderen Art" haben Kultstatus. Seine Bücher "365 Tage Fashion" gelten als Bibel für Fashion Victims. 
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