QUIET WORDS

Betrachtungen des ultimativ Weiblichen

Singing in the Rain

Frauen im Regen – eine Kunstnaturkatastrophe! Frauen und Wasser, das ist ein kompliziertes, ja paradoxes Thema. Denn, entweder lieben Frauen Wasser, oder sie hassen es.

Frauen im Regen© iStock_RapidEye

Einerseits freuen sie sich über den Sozialdarwinismus, der ihnen bei Schiffsuntergängen den Vortritt vor Männern ins Rettungsboot ermöglicht, andererseits liegen sie doch ab Oktober die kalte Jahreszeit über fast nur noch in der Badewanne. Ihr beauty-at-Lieblingskolumnist hat sich dieses Themas übrigens schon einmal angenommen: Frauen und Wasser. Also: Frauen beten die drei Buchstaben SPA für sanus per aquam an und sind gierig danach auf jedem, wirklich jedem (!) Kosmetikprodukt das Wörtlein „Hydro“ zu lesen, denn das verspricht ebenfalls Gesundheit durch Wasser und lässt darauf schließen, dass Frauen eine geradezu panische Angst davor haben, auszutrocknen.

Diese weibliche Sehnsucht nach Wasser (es gibt Meerjungfrauen, Rheintöchter, Wassernixen, aber außer Neptun bzw. Poseidon keine Männer im mythologischen Schwimmverein), dieser glückselige Schrei einer Frau nach H2O bleibt ihr sofort in der Kehle stecken, wenn auch nur drei Regentropfen vom Himmel fallen. Frauen und Regen, das ist eine ganz, ganz tragische Kombination. Drei Regentropfen kommen für manche Frau einer Naturkatastrophe gleich, wie sie sonst nur noch ein Tsunami oder die biblische Sintflut für die gepeinigte Menschheit bereithält. „Es könnte regnen“, dieser angewandte Konjunktiv, lässt eine Frau ins Chaos stürzen, dem sie nur mit einem Knirps-Schirm in der Handtasche begegnen kann. Ja, der kleine Regenschirm in der Handtasche gegen den SuperGAU von oben, er scheint noch wichtiger als eine Dose Pfefferspray für die Selbstverteidigung der Frau zu sein. Analog zu „es könnte regnen“ heißt es „es könnte der Vergewaltiger lauern“. Selbst Frauen mit dem, von mir an dieser Stelle häufig gegeisselten „praktischen“ Kurzhaarschnitt sehen in jeder grauen Wolke am Himmel einen potenziellen Angriff auf ihre Frisur.

Eine Frau lässt man nicht im Regen stehen, auch nicht im Regen gehen. Denn selten wirkt eine Frau so hilflos, so ausgeliefert, so all ihrer Haltung beraubt, wie im Regen. Ganz, ganz selten kommt es vor, dass diese aus weiblicher Sicht wahrhaftige public-disgrace-Situation (wieder googeln, weitet den sexuellen Horizont!) voller Charme, Zauber und Anmut ist. Die einzige und zweifellos schönste, verregnete Frau die es jemals gab und jemals geben wird, ist Audrey Hepburn, wenn sie als Holly, am Ende des Films Frühstück bei Tiffany im strömenden Regen zwischen lagernden Kisten auf einem Hinterhof herumirrt und ihren Kater sucht. Bei der Szene stimmt alles! Zwar lässt der Regen Hepburns Make-up mitleiderregend verlaufen – doch verbietet sich dabei jegliche sexuelle Assoziation. Der „Regenmacher“ (es gibt den Job am Filmset) hat hier ganze Arbeit geleistet; das tut er immer: als Natalie Portman in V for Vendetta nach warmem Regen verlangte, wurde ihr dies mit einem Schauer von 34° Celsius erfüllt.

Leider erkennen nur wenige Frauen Regenwetter als Chance, endlich einmal genussvoll Lack oder Latex zu tragen – nicht das, was Sie jetzt denken, denn es gibt einen tollen Regenmantel von Gaultier. Wetlook ist längst gesellschaftsfähig und ein fester Modeterminus, also weit vom Boom der peinlichen wet-t-shirt-contests der 80er-Jahre entfernt. Aber, da hilft die schönste Regenmode nichts, die Frau bleibt dem Naturschauspiel Regen gegenüber extrem kritisch eingestellt.

Die Wahrheit des Spruchs „wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“ wird am besten durch die Verwendung von Trockenshampoo bewiesen. Also für mich ist schon das Wort „Trockenshampoo“ ein Oxymoron, vergleichbar nur mit „schwarzer Milch“. Aber eine Frau will eben immer alles und alles möglichst gleichzeitig: So auch Trockenheit und Nässe. Weil es das (mit Ausnahme des Trockenshampoos) nicht gibt, wird sich eine Frau weiterhin gegen Naturgewalten in Form von drei Regentropfen mit einem Minischirm bewaffnen und jeglichen Schauer, Gewitter, Platz- Niesel- oder Starkregen als Feind betrachten. Die Poesie von Singing in the Rain bleibt weiterhin Männern wie Gene Kelly vorbehalten. Eigentlich schade.

#pascalmorche

Pascal Morché

QUIET WORDS ist die gar nicht so stille Betrachtung des ultimativ Weiblichen, eine politisch unkorrekte Kolumne, deren Verfasser die Frauen kennt, sie liebend gerne beobachtet und seine Gedanken hier exklusiv niederschreibt.

Der bekannte Journalist Pascal Morché gilt als pointierter Autor, seine Kolumnen und Kommentare in führenden Tageszeitungen und Magazinen wie FAZ, SPIEGEL, die ZEIT und FOCUS zu Themen der Gesellschaft, Mode, Kunst und Kultur sind legendär. Seine "Lesungen der besonderen Art" haben Kultstatus. Seine Bücher "365 Tage Fashion" gelten als Bibel für Fashion Victims. 
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