QUIET WORDS

Betrachtungen des ultimativ Weiblichen

Pascal Morché

QUIET WORDS ist die gar nicht so stille Betrachtung des ultimativ Weiblichen, eine politisch unkorrekte Kolumne, deren Verfasser die Frauen kennt, sie liebend gerne beobachtet und seine Gedanken hier exklusiv niederschreibt.

Der bekannte Journalist Pascal Morché gilt als pointierter Autor, seine Kolumnen und Kommentare in führenden Tageszeitungen und Magazinen wie FAZ, SPIEGEL, die ZEIT und FOCUS zu Themen der Gesellschaft, Mode, Kunst und Kultur sind legendär. Seine Bücher "365 Tage Fashion" gelten als Bibel für Fashion Victims.

Wirtschaftswunder Sex

Ich schreib’ jetzt wieder einmal über Sex. Man will ja gefallen, also in diesem Fall, gelesen werden. Meine letzte Kolumne zu diesem Thema „Bei Gelegenheit Sex“ (immer noch lesenswert!) hatte nämlich unerhört viele Klicks und Likes. Was wieder beweist: Sex sells. Also auch Sie lesen gerne über das „Eine“ und beschäftigen sich vermutlich auch angeregt damit. Das freut Ihren Autor ganz außerordentlich.

Sex belebt die Wirtschaft

Ich will mit dieser Kolumne klarlegen: Ich habe nie der Wirtschaft geschadet, denn mein Sexualleben war immer super! Also, ausgefüllt! Ich sage jetzt nicht „wie“ ich das gemacht habe, aber ich weise hier auf eine Studie des deutschen Instituts für Gesundheitsaufklärung hin, die behauptet: Potenzprobleme würden einem Land einen deutlichen volkswirtschaftlichen Schaden zufügen.

Die Erklärung liefert die Studie gleich mit: Negative sexuelle Erlebnisse wirken sich direkt auf die Arbeitseffizienz aus, weil Männer mit traurigem Sexlife täglich 1,06 Stunden ihrer Arbeitszeit vertrödeln, Fehler machen, unkonzentriert oder schlecht gelaunt sind. Und damit nicht genug: Männliche Potenzstörungen beeinträchtigen auch noch die Frauen bei ihrer Arbeit. Frauen seien so sehr mit „dem Schweigen der Lenden ihres Partners beschäftigt“, interpretiert das Institut die harten Fakten, „dass sie sogar 1,44 Stunden pro Tag nicht in der Lage sind, ihre volle Arbeitsleistung zu bringen“.

Ich finde, dieser Kollateralschaden muss wirklich nicht sein und schließe mich dem Fazit der Studie an: „Befriedigender Sex ist in Zeiten wirtschaftlicher Flaute wichtiger denn je“, bzw. durch ihn kommt es erst gar nicht zu einer solchen. Ja, ich wusste es doch schon immer: Jenes protestantische Postulat, das stets behauptete, Sex und Arbeit stünden in umgekehrt proportionalen Verhältnis zueinander, ist totaler Blödsinn. Immer hieß es: Wer Sex hat, arbeitet wenig; wer mehr Sex hat, arbeitet weniger; und wer nur noch Sex hat, der arbeitet überhaupt nicht mehr – außer Prostituierte und Pornodarsteller natürlich. Auch wenn dieses Denken noch das ganze 20. Jahrhundert prägte – es war völliger Quatsch!

Es war ein Fehler von dem Mann aus der Wiener Berggasse 19 zu behaupten: Kultur, die aus Arbeit entsteht, sei das Resultat von Triebverzicht. Sigmund Freuds freudloser These schlossen sich sogar die wirtschaftsfeindlichen Lustschreie der 68er an. Ihrer „Make love, not war“- Parole setzten sie noch eine drauf: „Make love, not business.“ Alles falsch gedacht! Alles dumm gelaufen.

Heute wissen wir: Nur wer häufig guten Sex hat, hält die Wirtschaft in Schwung und die Aktien oben. Politiker, Unternehmerverbände und Krankenkassen müssen endlich die Verbindung von höherem Bruttosozialprodukt und gutem Sex als kulturhistorisches Novum erkennen und nun alles dafür tun, damit kein Mann mehr lustlos herumläuft. Die Wirtschaft eines Landes kann nur durch gesteigerte Libido und guten Sex gerettet werden. Sex ist also eine Frage der gesamtwirtschaftlichen Vernunft, und der Sexmuffel ist als Miesepeter der Volkswirtschaft öffentlich anzuprangern. Das muss man lustlosen Menschen, egal ob Mann oder Frau, endlich klar machen: „Guten Sex zu haben bedeutet, Verantwortung für sein Land zu übernehmen.“

Ich kann nicht rechnen. Aber ich rechne mit allem, was mir und meinem Geschlecht Probleme machen könnte . Besonders, wenn es um Frauen und das Thema Verhütung geht. Dafür gibt es oft genug Anlass: Statistisch betrachtet, hat ein Mann 70.000 Erektionen in seinem Leben. Wenn ein männliches Sexualleben 50 Jahre dauert, dann sind das immerhin 1.400 Erektionen pro Jahr. Macht 3,83 Erektionen pro Tag – jene im Schlaf mitgerechnet.

Bei soviel Potenz stellt sich natürlich die Frage: Wollen wir uns fast viermal täglich fortpflanzen? Die Antwort kann nur entschieden „Nein“ heißen. Die Klassiker: Knaus-Ogino-Methode? Sehr unzuverlässig! Pille? Pfui, Chemie! Spirale? Fremdkörper im Leib (noch einen)! Aber es gibt ja auch noch das gute, alte, von uns Männern aber eigentlich sehr ungeliebte Kondom. Ich glaube, Männer lehnen Präservative auch deshalb ab, weil ein Mann, der sich mit zitternden Händen ein Präservativ überzieht, ganz einfach ein unwürdiger Anblick ist. Irgendwie lächerlich, dieser Schlauch mit Zipfelmütze.

Okay, die Dinger wurden ziemlich verbessert, seit vor 14.000 Jahren ein Maler in der südfranzösischen Höhle von Les Combarelles einem Liebenden ein Futteral vorne draufgepinselt hat. Sie wurden sogar so sehr revolutioniert, dass der Beischlafpackzettel zum südkoreanischen Kondom „Long-Love“ den Gummi als perfekten Koitusverlängerer preist. Quasi als Stützstrumpf für das, was James Joyce „Mittelbein“ nennt.

Präservative werden schon lange mit dem leichten Betäubungsmittel Benzocain beschichtet , damit wir Männer nicht so reaktionsschnell sind. Die „Long-Love“-Gummis des Herstellers Unidus jedoch scheinen wohl von Benzocain regelrecht zu triefen und die hyperaktiven Nervenenden meiner koreanischen Geschlechtsgenossen in Vollnarkose zu versetzen. Ich will so etwas nicht. Ich bestehe darauf, 70.000-mal in meinem Sexualleben Herr meiner Sinne zu bleiben.

Die meisten Verhütungsmethoden erscheinen etwas abschreckend – und soll wohl auch so sein. Sie reduzieren den Spaß am Sex wie Hinweisschilder in einem Vergnügungspark, auf denen vor dem Benutzen der Hochschaubahn gewarnt wird. Schon das Wort suggeriert, dass man vor etwas sehr, sehr Unangenehmen auf der Hut sein sollte, es erinnert an den Ernst der Situation, an das Resultat des Beischlafs, an mögliche Fortpflanzung und deren Folgekosten. Also, an Wohnungssuche, Kinderwagenkauf, Pampers-Packungen, Kieferregulierung, Schulwahl, Elternabende, Nachhilfestunden, Scheidungskosten und, und, und...Aber, welcher Mann will daran denken, wenn er eine schöne Frau sieht, mit der er Sex haben will? Sex als wundervolle Beschäftigung zweier Menschen und als volkswirtschaftliche Sicherung eines ganzen Landes. #quietwordspascalmorche

Pascal Morché

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