QUIET WORDS

Betrachtungen des ultimativ Weiblichen

Zieh den Stecker

Wer Nachwuchs hat, muss sich bei Problemen mit seinem Computer keine Sorgen machen.

Also, hier geht's jetzt nicht um Extremfälle. Also nicht um Oldies, die mal einen Computerkurs machten und sich nun trotzdem wundern, dass sie mit ihrem alten Nokia-Handy keinen Corona-Impftermin online zustande bringen. Auch ich habe meine Alter, aber ich nutzte den Rechner schon, als er noch Computer hieß. Ich bin also kein digital native, sondern bavarian native, dessen erstes „Ding“ ein Atari war. Das war noch Hardware in grauem Gehäuse! Alles, was danach kam, ist ebenfalls von historischem Edelrost überzogen: Disketten und CDs. Für junge Menschen ist eine „Floppy Disk“ wahrscheinlich eine Disco in Insolvenz und „Laufwerk“ heißt heute eher ein hipper Turnschuh oder ein zeitgeistiges Fitnessstudio. Sie sehen, historisch hat Ihr Kolumnist alles mitgemacht (vom Telex-Gerät bis zur WhatsApp).

Internet© Pixabay

Beim Atari blieb es nicht lange – ich war schnell bei Apple. Das war keiner tiefen Zuneigung zu Steve Jobs geschuldet, sondern der Tatsache, dass die Dinger schon immer chic aussahen. Auch ein Bentley sieht ja chicer aus als ein Daihatsu. Außerdem standen in Redaktionen und Werbeagenturen meist nur Apple-Geräte. Die hätten so ein tolles Grafikprogramm sagte man, und deshalb haben Apple-Computer in den Berufsgruppen der schönen weiten Medienwelt von Anbeginn Fuß gefasst. Grafikerinnen waren in den Agenturen und Redaktionen meist hübsche, unverbildete Mädchen, die man bald „Apple-Mädchen“ nannte. Heute ist das despektierlich; damals, vor mehr als 30 Jahren war es das nicht. Das erklärt also, warum auch ich immer Apple-Geräte hatte: schöne Grafikerinnen, peinlicher Statusdünkel (Apple kostete immer deutlich mehr als der Rechner vom Hofer) und das eitle Wissen, dass man sein Handwerkszeug irgendwann in der Designabteilung des MoMa bewundern kann. Kein Windows-Mensch, kein Mainstream-User – schon gleich zu Beginn wollte man sich doch absetzen von der Masse. Nun ja.

In den folgenden Jahrzehnten benutzte ich den Rechner, um zu schreiben und das Internet, um zu surfen und das Geschriebene zu verschicken. Vom Surfen verkünde ich hier jetzt nichts, denn meine wundervolle Chefredakteurin hat mir geraten, mich mit meinem Lieblingsthema mal etwas zurückzuhalten. Das will ich tun. Ich bin ehrlich: ich habe Angst vor meinem Rechner und auch vor dem Internet. Mein Rechner kann nämlich mehr als ich und das Internet ist größer und weiter als mein, durchaus nicht kleiner und nicht begrenzter geistiger Horizont. Das sind doch zwei gute Gründe, sich zu fürchten. Ich mache auch kein Online-Banking, weil ich Angst habe, an irgendeinem Tag ein paar hunderttausend Euro Minus auf dem Konto zu haben. Das wäre schlimm; noch schlimmer aber wäre, dass ich dann nicht wüsste, an wen ich mich nun zu wenden hätte. Während ich in Warteschleifen ausharren würde, hätten sich die paar hundertausend Minus schon wieder verdoppelt.

Es gibt Menschen, die bestellen von Lebenspartnern bis Sofas (ist das eigentlich ein Unterschied?) alles im Internet. Manche leben dort. Ich nicht. Mir reicht die analoge Welt und das Internet, so wie es ist. In den Tiefen meiner Seele ist es derart dunkel, dass ich das dark net nicht brauche. Ich bin auch auf keiner sozialen oder asozialen Plattform; die hielt ich von Anfang an nur für ein Resultat der Einsamkeit und einen Spiegel der Eitelkeit. Also, old school: face to face, nicht facebook to facebook.

Ich komme mit meinem Rechner gut klar. Allerdings weiß ich bis heute nicht, was Cookies sind, was ein Server ist oder ein Browser. Cookies bleiben für mich Kekse und einen Browser würde ich im Baumarkt in der Sanitärabteilung bei den Duschköpfen suchen. Nun, ich muss das ja auch nicht wissen, denn der Rechner läuft! Und wenn kleine Schildchen auftauchen „Updates verfügbar“ oder „Neue Version runterladen“, dann klicke ich ganz schnell auf „schließen“ oder auf „später“. Für Freunde der Prokrastination, also der Aufschieberitis ist das ideal! Ich habe im Laufe der Jahrzehnte die Erfahrung gemacht, dass Frauen mit einem Rechner besser klar kommen. Wahrscheinlich, weil Frauen kommunikativer sind, weil sie das Internet von Anfang an als Kommunikationsmöglichkeit und den Rechner als Freund und Partner verstanden. Ich habe immer Sorge, dass ich etwas an meinem Rechner verstelle, was ich nicht mehr rückgängig machen kann.

Wenn der Rechner ein Problem hat oder es nicht möglich ist, ins Internet zu kommen, dann wird Ihr Kolumnist sehr nervös. Dann sieht er sein publizistisches Aus nahen und somit seine Existenz am Ende. Dann weiß er, dass er sich um einen Platz im Männerwohnheim bemühen sollte, denn Selbstmord mit einem wlan-Kabel ist nicht möglich. Gott und Allah sei’s gedankt: Wartungsarbeiten an meinem Apple-Rechner nimmt meine türkische Freundin vor. Unverschleiert. Die Frau fährt auch Motorrad und trinkt Alkohol. Meist aber kommt von Frau und Tochter der Rat: Fahr alles runter und starte neu. Die brutalste Möglichkeit den Rechner „runter zu fahren“, besteht im Steckerziehen. Ich finde, so was muss man sich erstmal trauen.

Zieh den Stecker! Auch wenn die vier Lichtlein am Rooter nicht leuchten und es keinen Internetzugang gibt, kommt immer zuerst der brutale Ratschlag: Nimm den Rooter vom Netz! Lauf einmal um den Schreibtisch und dann stecke ihn wieder an und starte neu. Wenn all dies aber als Reset-Motivation für das Kastl nicht hilft, so hat der Rooter auch ein kleines Löchlein, welches es mit einer Büroklammer zu penetrieren gilt. Und dann läuft das Ding wieder. Wer Kinder hat, braucht sich nicht um seinen Rechner zu sorgen. Sie beseitigen jedes Computer-Problem clever und schnell. Die Sache mit der Büroklammer weiß angeblich jeder, der in den 90ern mit einem Tamagotchi aufgewachsen ist.

#pascalmorche

ÜBER DEN AUTOR

Pascal Morché

QUIET WORDS ist die gar nicht so stille Betrachtung des ultimativ Weiblichen, eine politisch unkorrekte Kolumne, deren Verfasser die Frauen kennt, sie liebend gerne beobachtet und seine Gedanken hier exklusiv niederschreibt.

Der bekannte Journalist Pascal Morché gilt als pointierter Autor, seine Kolumnen und Kommentare in führenden Tageszeitungen und Magazinen wie FAZ, SPIEGEL, die ZEIT und FOCUS zu Themen der Gesellschaft, Mode, Kunst und Kultur sind legendär. Seine "Lesungen der besonderen Art" haben Kultstatus. Seine Bücher "365 Tage Fashion" gelten als Bibel für Fashion Victims. 
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