QUIET WORDS

Betrachtungen des ultimativ Weiblichen

„Rettet den Meinl-Mohr!"

Keine Sorge, hier wird’s weder politisch noch korrekt – und schon gar nicht politisch korrekt. Aber man wird doch mal fragen dürfen! Deshalb gibt es heute etwas sexuelle Aufklärung.

Früher war die Welt ganz wunderbar einfach: Es gab Mann und Frau. Sie aßen Zigeunerschnitzel und danach vielleicht noch einen Mohrenkopf. Hans-Joachim Kulenkampff machte Scherze im Fernsehen, die heute weder als galant noch als charmant durchgehen, sondern schlicht als sexistisch: „Vor starken Frauen muss man sich in acht nehmen. Auch als Frau.“ Man trank einen „Bimbo“ (scheußlicher Likör aus Lakritze, Wodka und Türkischem Pfeffer) und las den Kindern „Pippi Langstrumpf“ vor. Dort gab es einen „Negerkönig“; aber „Otello“ auf der Bühne war damals auch noch schwarz geschminkt.

Meinl sarotti uncl bens© Meinl, Sarotti, Uncle Ben's

Heute bläst jemandem, der in jene alten Zeiten humoristisch zurückfällt, erstmal ein shitstorm entgegen, als ginge ein Orkan über eine Klärgrube. Vor kurzem sagte bei einer Preisverleihung die Moderatorin Barbara Schöneberger „Früher gab’s ‚Zigeunersauce’. Heute heißt es ‚Sauce ohne festen Wohnsitz’“. Okay, dieser Scherz gehört nicht in die oberste Kategorie intelligenten Humors. Frau Schöneberger aber weiss nun, was ein shit storm ist; nicht nur ihrem Abendkleid sei eine Lanzenwäsche sicher.

Die gnadenlose Ausmerzung des Sarotti-Mohrs gelang schon vor vielen Jahren erfolgreich! Jetzt können wir nur noch hoffen, dass der Meinl-Mohr bleiben darf und dass Uncle Ben’s auf seinen Reispackungen überlebt. Der „Negerkönig“ bei Pippi Langstrumpf wurde bereits in Südseekönig (Emirates fliegt Sie hin) zwangsumgetauft. Mohrenstrassen, Mohren-Hotels und -Apotheken werden erfolgreich entmohrt. Der 81jährige Filmklassiker „Vom Winde verweht“ wird, weil rassistisch, verboten. Das gilt übrigens auch für „Jenseits von Afrika“. Die Welt soll ja schöner und besser und vor allem gerechter werden. Tugendwächter leisten immer gerne ganze Arbeit bei der Zensur: Vergangenheit wird ausgelöscht. Man könnte ja über sie nachdenken und dabei feststellen, dass nicht alles ganz optimal war in der Vergangenheit. Dass genau das Nachdenken dann aber nicht mehr möglich ist und so die Wiederholung fataler Fehler erst befördert wird, gibt den Zensoren nicht zu denken.

Puh, das war nun ein längerer Einstieg und dass die Welt aus den Fugen ist, wüsste man auch, ohne diese Zeilen gelesen zu haben. Nun aber stolperte Ihr Kolumnist mal wieder über etwas Neues aus unserer chaotischen Welt. Gerade hatte er sich an drei Toilettenhäuschen (m/w/d) gewöhnt und sich (heimlich) gefragt wie divers Diverse urinieren, da las er das Wort „skoliosexuell“. Nun, bei der Beschreibung des eigenen Profils bot facebook bisher unter „sexueller Orientierung“ folgendes an: „schwul“, „bisexuell“, „unentschieden“, „sag ich nicht“ und „keine Angabe“. Aber, das reicht natürlich nicht! Es gibt auch „skoliosexuell“. Wenn man skoliosexuell orientiert ist, dann fühlt man sich zu Trans-Menschen hingezogen oder zu Menschen, die sich nicht in das binäre (also zweiteilige) System aus Mann und Frau einordnen wollen. Aha... „weder“ an Männer noch an Frauen ist ein Skoliosexueller interessiert. (Nicht zu verwechseln mit einem Asexuellen, dieser interessiert sich immerhin noch für ein Geschlecht, auch wenn er keinerlei Verlangen hat, mit ihm zu verkehren). Das ist doch eine praktische Sache und ich finde sie wunderbar: Man muss sich nicht entscheiden!

Sie ahnen es, liebe Leserin, die Sie mich seit Jahren kennen: Ich wollte mich sowieso noch nie irgendwo einordnen . Und Entscheidungen zu treffen, fällt mir sehr schwer. Ich finde ja ohnehin, dass Spiegel und Geschlechtsverkehr abgeschafft gehören, weil beides nur die Überbevölkerung der Erde erhöht. Und was hat das mit dem Anfang unserer kleinen Kolumne zu tun? Nun, der Sarotti-Mohr ist ausgestorben, für den Meinl-Mohren sieht’s auch nicht gut aus. Und der Mensch? Egal, ob schwarz oder weiss, homo- , hetero-, bi- oder transsexuell, er stellt sich selbst auf die Abschussliste, indem er zuviel Gewese und Gender-Brimborium um sein Geschlecht, seine Sexualität und den damit möglichen Spaß macht. Man sollte Sex so nehmen, wie Brigitte Bardot es tat. Als „eine Art Turnen mit innerer Anteilnahme.“ Und ohne intellektuellen Überbau.

#pascalmorche

Pascal Morché

QUIET WORDS ist die gar nicht so stille Betrachtung des ultimativ Weiblichen, eine politisch unkorrekte Kolumne, deren Verfasser die Frauen kennt, sie liebend gerne beobachtet und seine Gedanken hier exklusiv niederschreibt.

Der bekannte Journalist Pascal Morché gilt als pointierter Autor, seine Kolumnen und Kommentare in führenden Tageszeitungen und Magazinen wie FAZ, SPIEGEL, die ZEIT und FOCUS zu Themen der Gesellschaft, Mode, Kunst und Kultur sind legendär. Seine "Lesungen der besonderen Art" haben Kultstatus. Seine Bücher "365 Tage Fashion" gelten als Bibel für Fashion Victims. 
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