Bond N° 9 - Das Interview

Laurice Rahmé über Immobilien-Trends, das Digital Village und Sachertorte

Sie gilt als unglaublich kreativ, eigensinnig bis stur, eine explosive Persönlichkeit, ausgestattet mit einer Überdosis Energie, streitlustig und einer überaus feinen Nase für erstklassige Parfums und gutes Business. Und sie weiß um ihren Ruf. „Ich muß einfach um alles kämpfen, um jeden Zentimeter Platz im Store, um die Qualität der Mitarbeiter. Ich  bin sehr anspruchsvoll, aber ich verlange mir selbst das Gleiche ab.“  

Laurice Rahmé vor ihrer Boutique in der Bond Street, New York

Ihre Ausstrahlung basiert zu einem großem Teil auf der explosionsartigen Energie, die von ihr ausgeht. Kaum betritt sie den  Raum, beginnt die Luft zu vibrieren. Laurice Rahmé weiß genau was sie will und sie hat keine Scheu, es auch klar auszusprechen.

Respekt empfindet sie für Frauen, die Großes geleistet haben. Und so sieht sie in der mitgebrachten Sachertorte nicht nur einen süßen Gruß aus Wien, sondern auch die in Schokolade gegossenen Leistungen der Anna Sacher und ihrer Nachfahren, die sie sofort wortreich würdigt.
Beautesse Herausgeberin Helga Fiala-Haslberger traf Laurice Rahmé im Rahmen des 10jährigen Firmen-Geburtstages und der Vorstellung neuer Bond N° 9 Düfte und bat zum Interview.

B: Wir durften heute spannende neue Düfte wie Perfumista Avenue oder Scent of Peace for Men kennenlernen. Wie lange dauert der kreative Prozess bis ein neuer Duft entsteht?

LR : Es kommt auf das Projekt man, manches geht sehr schnell, was einem Zeitraum von etwa 6 Monaten gleichkommt. Andere Düfte benötigen mehr Zeit, etwa bis zu 18 Monaten. Aber ich arbeite immer an mehreren Düften gleichzeitig, ich brauche einfach diese Herausforderung – so wie andere mehrere Bücher gleichzeitig lesen (lacht).

B: Wenn Sie mit einem Projekt beginnen, wie gehen Sie an die Sache heran? Einen Duft für einen Bezirk, ein Viertel zu kreieren, das stellen wir uns als große Herausforderung vor. Was kommt da zuerst? Der Platz oder die Idee eines Duftes, der zu einem bestimmten Platz passen würde?

LR: Ich stelle mir zuerst die Frage: welches Viertel wird in der nächsten Zeit besonders interessant werden, und sobald das feststeht, müssen wir den Namen als Marke schützen lassen. Das kann schon schwierig werden, denn manchmal ist der Name nicht mehr verfügbar.

Bond N° 9 Düfte

Wir hatten in der Vergangenheit enormes Glück, denn viele der bekannten Namen waren einfach nicht als Marke geschützt. Und warum? Weil amerikanische Unternehmen immer im großen Stil denken. Amerika ist wichtig, aber niemand hat an New York und seine berühmten Strassen und Plätze gedacht. Wir konnten zum Beispiel Wall Street bekommen, Park Avenue, Chelsea, Little Italy, Noho, Haarlem – alles war verfügbar. Abgesehen von Fifth Avenue, das Elizabeth Arden gehört, war sehr viel zu haben. Und im Grunde habe ich auch Fifth Avenue, da Bond N°9 auch den Duft für Saks Fifth Avenue macht…..

B: Ist die Entwicklung eines Duftes ein in-house-Prozess oder arbeiten Sie mit unterschiedlichen Parfumeuren?

LR: Ich bin in der glücklichen Lage, mit verschiedenen Parfumeuren arbeiten zu können und wie Sie wissen, gibt es ja nur vier Duftproduzenten weltweit. Und sie geben mir, was ich will und folgen genau meinen Vorgaben.

Es ist sehr einfach, mit der Kreation eines Parfums zu beginnen, wenn man weiß, was man will. Es ist ganz und gar nicht einfach, das große Finale eines Duftes zu kreieren. So unkompliziert es auch sein mag, einen schönen Rosen- oder Gardenien-Duft zu erschaffen, sehr viel schwieriger ist es, diesem auch das Langanhaltende zu verleihen, die Aura, die viele Stunden spürbar ist. Das können nur sehr wenige. Und wir sind da sehr kritisch. 

Laurice Rahmé

Bei Bond N°9 gibt es drei Personen, die den Duft testen – Marie, blond mit heller Haut, Claire, eine dunkelhaarige Asiatin und ich. Wenn der Duft an uns dreien nicht so lange hält, wie wir uns das vorstellen, dann wird eben solange daran gearbeitet, bis es passt. Und das ist der schwierigste Part der Parfumkreation. 

B: Wie eng ist das Budget-Korsett bei der Duftentwicklung, geben Sie den Dufthäusern einen Kostenrahmen für die Inhaltstoffe vor?

LR : Ich gebe niemals ein Budget vor, die Parfumeure können sich frei entfalten und jene Inhaltstoffe wählen, die sie benötigen – ohne Kostenzwänge. Und dafür lieben sie mich. Wir sprechen nicht über Geld, sondern über den Duft. Und wenn wir unser Ziel erreicht haben, dann kostet es eben das, was es wert ist. 

Die meisten Marken reden mit den Parfumeuren nur über die Kosten, und das ist sehr frustrierend für sie. Nehmen wir z.B. die Rose, die wir für Perfumista Avenue verwendet haben – ich bin sicher, daß niemand diese Note verwenden wird, da sie unglaublich, geradezu verrückt teuer ist. Aber sie ist perfekt und daher zahlen wir diesen verrückten Preis. 

Wenn Sie nur 20 Cent zahlen, dann bekommen Sie eben einen Rosenduft, der nur 20 Cent wert ist – und das riechen Sie auch. Man bekommt, was man bezahlt und die Parfum-Kreation verkommt mehr und mehr zur Budgetsache. 

Was glauben Sie, warum die meisten Düfte heute so süß sind? Ganz einfach, Zucker übertüncht einfach alles, man kann eine Menge billiger Inhaltstoffe darunter verstecken, es ist eine Art von Duft-Camouflage.  

Perfumista Avenue - Duftkerze

B: Involvieren Sie die Menschen, welche an jenen Orten leben, die Sie als Duftkonzept umsetzen? Fragen Sie nach ihren Vorstellungen und Eindrücken ihres Viertels?

LR: Ja, das machen wir ständig. Wir gehen die Dinge von der Basis an, von unten und bauen auf diesen Erfahrungen das passende Duftkonzept. Im Englischen gibt es den wunderbaren Begriff „grassroot-movement“. Es beginnt auf der Strasse und kommt dann bis zu mir, zur Duftumsetzung. Nicht ich gebe vor, wie der Duft beschaffen sein soll, die New Yorker erledigen das Marketing für uns, wir haben nicht mal eine Marketing-Abteilung. Die Menschen kommen in unseren Store und sagen: „Ich wohne in Brooklyn und ich möchte einen Brooklyn-Duft!“ Wir haben eine Liste aller Viertel und Bezirke angelegt, welche die New Yorker bei uns anfragen. Und wenn wir der Meinung sind, das eine oder andere ist machbar und könnte interessant sein, dann machen wir es. 

B: Und wenn der Duft dann existiert, kaufen die Leute aus jenem Viertel dann auch diesen Duft? Tragen sie ihn auch?

LR: Aber ja, und wie! Die New Yorker sind stolz auf ihr Viertel, wollen es unbedingt als Duft haben und das gleich zweimal – jenes Viertel, in dem sie leben und jenes, in dem sie arbeiten.

Touristen – egal ob Amerikaner oder andere Nationalitäten - nehmen den Duft gerne als Souvenir mit, bevorzugt natürlich von jenen Plätzen, wo sie Tolles erlebt haben wie etwa Broadway, Noho, China Town oder Harlem. Und sie mögen diese Düfte und kaufen sie zu Hause nach. 

Hier hat uns die Kurzsichtigkeit unseres Mitbewerbs einen wunderbaren Spielraum geschaffen. Yves Saint Laurent hat mit Rive Gauche einen großartigen Duft geschaffen, aber er kam nie auf die Idee, auch das andere Seine-Ufer entsprechend zu würdigen. Elizabeth Arden setzte der Fifth Avenue ein duftendes Denkmal – und vergaß die Park Avenue, die gleich daneben liegt. 

B: Sie erwähnten zuvor diese Liste von Vierteln und Bezirken, deren Bewohnern sich enen Duft wünschen. Gibt es dabei ein Viertel,  dem Sie persönlich gerne eine olfaktorische Hommage widmen würden? 

Bond N° 9

LR: Oh ja, das ist Queens. Wir haben unglaublich viele Anfragen zu Queens, da hier sehr viele Menschen leben, aber das ist keine leichte Aufgabe. Queens ist sehr grün, viele kleine Häuser, ein Dorf in der Stadt. Die Umsetzung als Duft ist hier eine große Herausforderung und wird lange Zeit in Anspruch nehmen. 

B: Wie kam es zur Zusammenarbeit mit der Andy Warhol Foundation?

LR: Das war eher Zufall, denn die Warhol Foundation befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft in der Bleeker Street und die Leute sind Kunden von uns. Als sie um einen Termin baten, dachte ich: "Oh Gott, jetzt wollen sie mich verklagen", da mir viele Leute gesagt hatten, daß der Westside Duft an ein Kunstwerk von Andy Warhol erinnern würde. Aber sie kamen als Kunden und baten mich, eine Duft-Kollektion für Andy Warhol zu kreieren. Ich freute mich, wies aber darauf hin, daß ich nur Düfte für New York mache. Das passt gut, meinten sie, Andy Warhol hat viel für New York getan. Damit war die Sache fixiert und wir hatten sehr viel Freude bei der Umsetzung dieser Düfte.

B: Wie stellen Sie es an, jene Plätze, Viertel, Bezirke ausfindig zu  machen, die in zwei oder drei Jahren besonders beliebt oder begehrt sein werden?

LR: Sie wollen mein Geheimnis wissen, na gut. Was Immobilien betrifft, bin Ich immer bestens informiert. Ich beobachte den Wohnungsmarkt, lese ganz gezielt alles, wie Immoblien-Anzeigen, Informationen zu geplanten Infrastrukturmaßnahmen, Bauvorhaben etc. Die New York Times hat einen großen Immobilien-Teil, mit Anzeigen, Interviews, gut recherchierten Artikeln und ich folge einfach den Trends, die sich da abzeichnen. Und da geht es darum, sich schnell die Namensrechte zu sichern. Sobald es zu oft in den Medien ist, wird es schon schwierig. Man muss eine Nase dafür haben.

B: Was halten Sie von Fashion Designern, die zu Parfumeuren werden bzw. Düfte auf den Markt bringen?

LR: Es gibt zuviele davon. Ich bin kein Designer, ich kann kein Kleid entwerfen. Aber manche denken, wenn sie ein Kleid entwerfen können, dann schaffen sie es auch mit einem Duft. Und zumeist ist es ein Desaster. Schauen Sie sich allein die Flakons an, Modeschöpfer denken nur in runden, eckigen oder ovalen Formen. Ziemlich banal, finden Sie nicht?

bondno9.dotcom

B: Sie haben die Digital Collection bondno9.com entwickelt, Wie kann man sich das vorstellen, wie funktioniert das und werden Sie die Kollektion erweitern?

LR: Der Internet-Duft macht uns eine Menge Freude und ebenso viele Probleme. Wir selbst in der Boutique in New York führen ihn nicht, da er ausschließlich für das „Digital Village“ geschaffen wurde und daher nur im Internet erhältlich ist. Und der QR Code fungiert als digitales Verkaufspersonal. Es ist mitunter sehr schwierig, Konsumenten und unseren Vertriebspartnern zu erklären, warum sie diesen Duft nicht haben können. Doch andererseits entwickeln sie auf diese Weise auch ein Gefühl für die digitale Welt und das ist heute sehr wichtig. Und ja, wir werden diese Kollektion sicher erweitern.

Mobiltelefon-Hülle BondN°9dotcom

B: Und wie testen Ihre Kunden diesen Duft?

LR: Wir senden Proben und schenken bei Kauf auch Hüllen für das Mobiltelefon dazu, damit bleiben wir im Fokus unserer Kunden und passen uns ihrer Kultur, ihren Gewohnheiten an. 

B: 10 Jahre Bond N°9, 10 Jahren duftende Liebeserklärungen an New York in Form von fast 60 Düften – es war eine äußerst produktive Dekade. Was erwarten Sie von den nächsten 10 Jahren?

LR: Vielleicht ein neues Viertel, einen neuen Bezirk (lacht). Ich erwarte neue Duftnoten, neue Nuancen, da ich wirklich ein Duft-Connaisseur bin. Es wäre interessant, eine neue Duftnote zu kreieren, die völlig anders ist. Ich möchte sehen, ob sie angenommen, gemocht wird.

Es ist einfach, eine Duftnote zu bringen, die man schon kennt, aber etwas völlig Neues, das wäre spannend. Man muss Risiken eingehen, wenn man Neues schaffen möchte. Ich gehe gerne Risiken ein, daß ist der libanesische Teil in mir.

B: Apropos Risiko - Kilian Hennessy wird in Kürze seinen ersten Store in Manhattan - 804 Washington Street im Meatpacking District – eröffnen und er plant angeblich zu diesem Anlaß einen neuen Duft: Apple Brandy by Kilian New York. Was halten Sie davon?

LR: Wollen Sie nach Apfelbrandy riechen? Offen gestanden, der Mangel an Kreativität ist bedauerlich. Den Apfel hat Donna Karan bereits hervorragend umgesetzt und ich weiss nicht, wie sie darauf reagieren wird. Und der Brandy ist - na ja - lassen wir das. 

Sie lacht, sprüht vor Energie und macht sich sofort auf die Suche nach dem nächsten, noch unentdeckten Viertel, dem sie ein duftendes Kleid verpassen kann.

In Österreich finden Sie die Düfte von Bond N°9 in ausgewählten und exklusiven Parfümerien.

www.bondno9.com/

BOND N° 9 - Laurice Rahmé und ihre Liebe zu New York